Sonntag, 18. Oktober 2015

*Buch-Sonntag* 3. Kapitel: Der Anhang & der Stalker

    3. Kapitel: Der Anhang & Der Stalker

Endlich ist unser Werk mit Hilfe der Jungs vollbracht. Stolz betrachten wir unseren fertig eingerichteten Pussy Party Place, welcher uns wirklich gut gelungen ist.
Im Inneren des Pavillons haben wir Campingtisch und Klappstühle aufgestellt, ein Radio für die Musik und alle Lebensmittel und Getränke verstaut. Die restlichen Sachen, inklusive Schlafsäcke und Isomatten, verstauen wir in unserem Zelt. Zum Dank für die Hilfe umarmen wir die Zwillinge und laden sie auf noch ein Bier und zum Grillen ein.
„Macht’s euch schon mal drinnen bequem, wir holen uns eben unsere Festivalbändchen.“, fordere ich die Zwillinge auf, die ihre Bändchen bereits haben. Also schnappe ich mir meine Freundin, die Eintrittskarten, und marschiere mit ihr zum Bändchenzelt, welches am Anfang unseres Campingplatzes steht. Wir stellen uns an die Schlange, welche sich vor dem Zelt gebildet hat an und warten, bis wir an der Reihe sind. Ungeduldig wippe ich mit meinem Fuß auf und ab, kann es gar nicht abwarten, das Bändchen wie eine Trophäe an meinem Arm zu tragen. Das ist eins der Dinge, auf die ich mich wie verrückt gefreut habe.
„Die Zwillinge sind nett, findest du nicht?“, fragt mich meine Freundin und wendet ihren Blick von der Schlange auf mich. Ich nicke, denn ich bin absolut der gleichen Meinung. Wir haben wirklich Glück, so angenehme Zeltnachbarn zu haben, und nicht gerade das Terrorzelt, welches die Musik so laut hat, dass man es bis hier hin hören kann.
„Auf jeden Fall.“, antworte ich. „Bis jetzt sind die Zwei echt klasse. Wer weiß, vielleicht haben wir jetzt schon Leute gefunden, an die wir uns dranhängen können.“
Denn genau das haben Nici und ich geplant. Da wir nur zu zweit gefahren sind, wollten wir uns Leute suchen, mit denen wir die Festivaltage harmonisiert verbringen können. Dass es gerade unsere Zeltnachbarn sind, an die wir und eventuell dranhängen, ist purer, glücklicher Zufall, denn es ist ganz praktisch, dass man mittags zusammen zum Festivalgelände hin-, und nachts wieder zurückfahren könnte.
Um von den Campingplätzen zum Gelände zu kommen, fahren alle paar Minuten Shuttlebusse von verschiedenen Stellen der Campingplätze aus. Eine Fahrt kostet 1€ und in wenigen Minuten ist man schon am Geländeeingang. Ich kann‘s bis morgen gar nicht mehr abwarten.
„Meinst du? Das wäre echt cool.“, freut sich Nici, woraufhin ich erneut nicke.
„Joah, wieso denn auch nicht? Schließlich sind die Jungs auch nur zu zweit hier und ich denke nicht, dass sie die ganzen Tage auch nur zu zweit bleiben wollen. Kommt natürlich drauf an, ob sie uns genau so sympathisch finden, wie wir sie.“ Aber daran zweifele ich bis jetzt nicht, denn wenn man zusammen lacht, ist die Sympathie meist sofort da. Die Zwillinge machen in meinen Augen jetzt nicht den Anschein, dass wir ihnen unsympathisch wären.

Als wir endlich an der Reihe sind, lösen wir bei einer Frau unsere Eintrittskarten ein und dürfen schließlich das Zelt betreten, in dem drei Geräte stehen, die die Bändchen ums Handgelenk schweißen. Ich stecke meinen linken Arm, an dem auch das Festivalbändchen von vor zwei Jahren noch dran ist, durch den dafür vorgesehenen Schlitz des Gerätes und schon betätigt der nette Herr dahinter den Startknopf. Schnell legt sich das Bändchen um mein Handgelenk und zieht sich fest, bevor es von dem Gerät zugeschweißt wird. Fertig. Ich ziehe meine Hand aus dem Schlitz und betrachte gerührt mein zweites Bändchen, welches sogar schöner ist, als das erste.
Freudestrahlend verlasse ich das Zelt wieder, kann den Blick gar nicht von meinem Arm lassen, und warte auf meine Freundin, welche kurz nach mir das Zelt verlässt und ebenfalls ihr Bändchen betrachtet.
„Fühlt sich gut an, was?“, frage ich sie und grinse dabei über beide Ohren. Jetzt sind wir offiziell die Ringrocker von diesem Jahr. Ein verdammt gutes Gefühl!
„Ja stimmt, ich hab dir zugegebener Weise nie so wirklich geglaubt, dass es sich so gut anfühlt, wenn man das Bändchen am Arm hat, aber du hattest recht, es ist überwältigend!“, schwärmt sie stolz, ohne dabei den Blick von ihrem Bändchen abzuwenden.
Gut, wenn sie mir nicht geglaubt hat, konnte ich sie jetzt wenigstens überzeugen. Vor zwei Jahren schwärmte ich ihr von dem Festival so die Ohren voll, dass sie sich freiwillig dazu bereit geschlagen hat, das nächste Mal mit mir hinzufahren. Und nun stehen wir zusammen hier, auf der absolut besten Rockveranstaltung Deutschlands. Einfach nur super!

Auf dem Rückweg zum Zelt kaufen wir uns noch schnell Toiletten- und Duschtickets für die Sanitäranlagen, 5€ für 10 Toilettengänge und 7,50€ für drei Mal duschen. Dixiklogänge sind natürlich umsonst, aber die will ich so gut wie möglich meiden.
Schnell sind wir von den Sanitäranlagen auch wieder an unserem Platz, wo die Zwillinge bereits auf unsere Einladung zum Bier und Grillen warten.
„Wir sind wieder daha!“, rufe ich und hüpfe freudig in unseren Pavillon, in dem die Jungs sitzen, gefolgt von meiner Freundin. Ohne zu zögern stürme ich zu unseren Biervorräten, von welchen ich Ian, Jack und Nici jeweils ein Bier reiche.
„Wurde auch Zeit, ich verhungere!“, lacht der Hopper und nimmt dankend das Bier an. Bevor ich mir ein Bier öffne, krame ich zuerst die Grillsachen heraus und stelle den Grill vor den Pavillon. Wortlos bringt Nici mir die Kohle nach draußen, welche ich sofort in den Grill schütte und anzünde. In der Zeit bis die Kohle glüht, setzen wir uns mit dem Bier den Zwillingen gegenüber an den Tisch.
„Was hättet ihr denn gleich gerne? Wir haben Nackenstakes, Spare Rips, Grillfackeln, Hähnchenflügel, Hähnchenfilet…“, zählt Nici den Zwillingen die Fressvorräte auf.
Beide entscheiden sich für Spare Rips, gute Wahl, die esse ich ebenfalls am liebsten. Als Beilage haben wir Kartoffelsalat, Nudelsalat, Gemüse und Baguettes gekauft. Auf jeden Fall haben wir mehr als Genug, um nicht zu verhungern. Auf dem Festivalgelände werden wir sowieso Fastfood von den Fressständen essen, von daher reichen unsere Lebensmittel vollkommen aus.
„Ach, verdammt!“, kommt es plötzlich von Nici, die wie von der Tarantel gestochen aufspringt und aus dem Pavillon stürmt. Verwundert schauen wir ihr hinterher, ich zucke nur mit den Schultern, als die Blicke der Jungs schließlich auf mich fallen. Kurz darauf betritt meine Freundin, mit dem Spielplan der Bands in der Hand, den Pavillon wieder und hält diesen in die Luft.
„Fast hätten wir vergessen, den aufzuhängen.“, stöhnt sie erleichtert und befestigt den Plan mit Klebeband an die Wand. Naja gut, vergessen hätten wir diesen sicher nicht, spätestens morgen wäre uns eingefallen, dass wir den Plan brauchen, schließlich müssen wir ja wissen, wann wir aufs Gelände gehen sollten, um die gewünschten Bands anzusehen.
„Für welche Bands seid ihr eigentlich hier?“, will der Blonde wissen, woraufhin ich abwinke. Ich weiß schon gar nicht mehr alle auswendig, weil dieses Jahr so viele gute Bands hier sind.
„Ach Gott, für viele…“, fange ich an und hebe meine Hand, um mit den Fingern mitzuzählen. „Unter anderem Billy Talent, The Rasmus, Sevendust, Shinedown, Wolfmother, Korn, Volbeat… Und vor allem für die Headliner.“
Ich erkläre kurz: Headliner sind die Bands, die auf der Centerstage, also der Hauptbühne (es gibt noch zwei andere, einmal die Alternastage, das ist die zweitgrößte und die Clubstage, die kleinste Bühne) an den drei Festivaltagen zuletzt spielen. Diese Bands sind sozusagen die Hauptattraktionen und werden auch zuerst auf der Rock am Ring Internetseite bekannt gegeben. Das sind dann wirklich große, sehr erfolgreiche Bands. Dieses Jahr ist wirklich nur die Creme de la Creme da, die Headliner für Freitag sind Green Day, für Samstag Linkin Park und für Sonntag Die Ärzte. Einfach nur me-ga geil.
„Au ja, die lohnen sich dieses Jahr wirklich.“, nickt Ian. „Allein schon Linkin Park.“
Zustimmend nicken wir drei, Linkin Park sind wirklich das Beste von der ganzen Veranstaltung. Als Linkin Park als Headliner bekanntgegeben wurden, haben Nici und ich sofort zugeschlagen, ohne auch nur eine Minute zu zögern. Das lief ungefähr so ab:
Ich: Eeey Nici, Linkin Park sind Headliner bei Rock am Ring!
Nici: Okay, bestell die Karten, wir fahren da hin.
Ich: Okay, ist schon so gut wie erledigt.
Und schon habe ich die Karten bestellt. Das wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen, komme was wolle.
„Also wenn ihr wollt, können wir uns ja zusammen ein paar Bands anschauen.“, schlägt Jack vor, womit wir natürlich sofort einverstanden sind. Auf diese Frage haben wir eigentlich nur gewartet.
Grinsend wie ein Honigkuchenpferd luge ich zu Nici rüber, deren Grinsen sich ebenfalls über ihr ganzes Gesicht zieht. Besser könnten die ersten Stunden hier gar nicht laufen.

An Tagen wie diesen
wünscht man sich Unendlichkeit
An Tagen wie diesen
haben wir noch ewig Zeit
Die Toten Hosen – An Tagen wie diesen

Als die Kohle endlich glüht, schmeiße ich die gewünschten Spare Rips auf den Grill, ebenso wie Paprika und Baguettes. Inzwischen habe ich einen Bärenhunger, mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn ich die rohen Spare Rips sehe. Am liebsten würde ich da jetzt schon reinbeißen. Da sie aber höchstwahrscheinlich roh ungenießbar sind und ich auch kein animalisches Raubtier bin, muss ich mich wohl oder übel gedulden, bis sie durch sind.
„Lin, habe ich dir schon mal gesagt, dass du am Grill verdammt sexy aussiehst?“, höre ich meine Freundin hinter mir lachen, während ich das Fleisch mit der Grillzange wende. So ein Schwachsinn, was ist an Grillen bitteschön sexy? Gut, ich habe mal irgendwo gelesen, dass Frauen am Grill für Männer besonders attraktiv sein sollen. Aber ich?!
„Du hast doch ne Meise.“, lache ich ebenfalls und drehe mich zu ihr um. „Grillende Frauen sind genau so unattraktiv, wie Männer mit Brüsten.“ Ich weiß auch nicht, wie ich jetzt auf diesen dämlichen Vergleich gekommen bin, aber auf die Schnelle fiel mir nichts anderes ein, obwohl dieser Vergleich gar nicht so unrealistisch ist. Wenn ich an Männer mit Brüsten denke, schauert's mich. Ein absolutes No-go. Man sollte auch als Mann auf seine Figur achten!
„Finde ich nicht!“, mischt sich der Blonde in unser Gespräch ein, welcher sich mit seinem Bier in der Hand neben Nici gestellt hat, locker mit der freien Hand in seiner Hosentasche und anfängt, mich von oben bis unten zu bemustern. „Ich finde, deine Freundin hat Recht.“
„Pff, ja klar.“ Ich verdrehe die Augen, während ich meine Hand in die Hüfte stemme und mit der Grillzange abwechselnd auf die zwei Personen zeige, die anscheinend an Geschmacksverkalkung leiden. „Ihr habt beide ne Meise, denn, ich wiederhole: Frauen und Grillen geht gar nicht.“
Kopfschüttelnd setzt Nici sich wieder in den Pavillon, sie weiß, dass sie mich nur schwer vom Gegenteil überzeugen kann, deswegen lässt sie mich mit meiner Meinung einfach hier stehen. Ich bin ein Sturrkopf, schon immer gewesen, vor allem was Selbstkritik angeht. Wenn ich mit irgendwas an mir nicht zufrieden bin, dann ist das so, egal wie oft meine beste Freundin mir sagt, dass es nicht stimmt.
Seufzend wende ich mich wieder dem Grill zu und bemerke nach ein paar Sekunden, dass Ian nicht meiner Freundin zurück in den Pavillon gefolgt ist, sondern sich zu mir gesellt hat.
Grinsend steht er neben mir und beobachtet mich dabei, wie ich Fleisch, Gemüse und Baguette wende, als wäre ich ein grillendes Alien. Also entweder fängt er jetzt mit Smalltalk an, oder ich frage ihn, ob er ein Passfoto von mir haben will.
„Sieht gut aus.“, sagt er dann, woraufhin ich erleichtert ausatme, weil ich ihn nicht wirklich wegen dem Passfoto hätte fragen wollen. Wie ich mich aber kenne, hätte ich das getan, was wiederum ziemlich unfreundlich herübergekommen wäre.
„Ich, oder das Essen?“, frage ich spaßeshalber, da er Nici vorhin mit ihrer Aussage Recht gegeben hat. Geschmeichelt hat es mich ja schon irgendwie, auch wenn ich es nie zugeben würde.
„Also wenn du so fragst, dann beides.“, grinst er schelmisch.
Mit hochgezogener Augenbraue blinzele ich ihn an, jedoch bleibt mir keine Zeit zum Kontern, denn plötzlich ruft eine Stimme meine Namen, die weder zu den Zwillingen, noch zu meiner Freundin gehört, die ich dennoch glaube, gut zu kennen. Also drehe ich mich um, versuche der Stimme ein Gesicht zuzuordnen und erstarre vor Schreck, als ich das passende Gesicht zu dieser Stimme erkenne.
Mein erster Gedanke: Oh nein. Mein Zweiter: Was macht der denn hier? Und mein Dritter: Ich muss hier weg! Nur leider kann ich meinen dritten Gedanken nicht in die Tat umsetzen, denn er hat mich bereits entdeckt. Mein Ex, oder besser: Mein Stalker.
Vor fast einem Jahr habe ich mich von ihm getrennt, weil er krankhaft eifersüchtig war und mich mit meiner Cousine betrogen hat, wodurch ich endgültig den Schlussstrich gezogen habe.
Nur irgendwie kapiert er nicht, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will, nein, er denkt, ich würde ihn zurück wollen, es nur nicht zugeben. Deswegen stalkt er mein Facebookprofil, belästigt meine Freunde, indem er sie über mich ausfragt, taucht ganz plötzlich an Orten auf, an denen ich rein zufällig auch gerade bin, legt mir Rosen vor die Haustür und kommt sich extra in meinem Salon die Haare schneiden. Fehlt nur noch, dass er irgendwann bei mir Zuhause einbricht und plötzlich in meinem Bett liegt, oder meine getragene Unterwäsche klaut. Ich kann mir den Mund fusselig reden, ich kann ihm mit der Polizei drohen, er lässt mich einfach nicht in Ruhe. Selbst wenn meine Freunde ihm mit Ärger drohen, wenn er mich nicht in Ruhe lässt, lässt ihn kalt. Langsam macht er mir einfach nur noch Angst, vor allem, dass er jetzt selbst hier bei Rock am Ring auftaucht. Er steht doch gar nicht auf Rock, er hört Hardcore und so ein Zeug, das ist doch krank!
„Scheiße…“, nuschele ich und suche krampfhaft nach einer Lösung, diesen Psycho von mir fernzuhalten. Viel Zeit bleibt mir nicht, denn mit schnellen Schritten kommt er immer näher auf mich zu.
Verzweifelt werfe ich meinen Blick in den Pavillon zu Nici, die sich gerade angeregt mit Jack unterhält und meine Panik hier draußen gar nicht mitbekommt. Dann bleibt mein Blick an Ian haften, der immer noch neben mir steht und gerade einen Schluck von seinem Bier nimmt. Komm schon Lindsay, du brauchst eine Idee, und zwar sofort!
„Hey Lin, was für ein Zufall!“, ertönt die grausame Stimme meines Ex hinter mir, welche mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Klar, Zufall...
Steif drehe ich mich zu ihm um und werfe ihm zuallererst einen bösen Blick zu, welcher ihn allerdings kalt lässt. Seine dunkelblonden Haare sind zu einer Igelfrisur aufgegelt, sein schwarz-weiß kariertes Hemd hängt locker über seine zerrissene Jeans, welche seine schlanken, rasierten Beine zum Vorschein bringt.
Ja, dieser Kerl rasiert sich seine Beine, ekelhaft, oder?
„Manuel, was willst du hier?!“, zische ich ungeduldig und warte auf eine gute, nein, sehr gute Begründung, wieso er mir selbst hier hinterherstalkt.
Als er grinst, kommen seine schiefen Schneidezähne zum Vorschein, die ich anfangs total niedlich fand, heute jedoch einfach nur noch abstoßend.
„Ich glaube, ich will hier das Gleiche wie du, mir mit Freunden ein paar Bands anschauen.“
„Rede nicht so einen Schwachsinn!“, rege ich mich auf und muss mich schwer zurückhalten, um ihn nicht an die Kehle zu springen, obwohl ich das liebend gerne tun würde. Ich fasse es nicht, wie er mir immer wieder so dreist ins Gesicht lügen kann, ohne dabei rot zu werden.
„Wieso Schwachsinn? Aus welchem Grund soll ich denn sonst hier sein?“, fragt mein Ex ganz scheinheilig, ohne dabei das Grinsen aus dem Gesicht zu nehmen.
Ich merke, wie mein Körper vor Wut anfängt zu beben, so, dass ich die Arme vor meiner Brust verschränken muss, um es mir nicht anmerken zu lassen.
Ja, aus welchem Grund soll er sonst hier sein, wie kann ich nach all dem nur annehmen, dass er wegen mir hier ist? Achtung, Ironie.
„Das weißt du ganz genau.“, zische ich durch die Zähne und blinzele ihn wütend an, doch er bleibt wie immer ganz ruhig, lässt dabei seinen ekeligen Blick lüstern über meinen Körper gleiten. Wenn ich’s nicht besser wüsste, hat er mich bereits in seinen kranken Gedanken ausgezogen. Bah, ich glaube, ich kotz gleich!
Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, dass Ian aufmerksam zu uns rüber schielt, was mich schlagartig auf eine geniale Idee bringt, welche mich eventuell von meinem Stalker befreien könnte.
„Nein, weiß ich nicht.“, lügt er und legt fragend seinen Kopf schief, hört jetzt auch endlich auf zu grinsen. Ich schaue nochmal zu Ian und überlege kurz, ob ich meine Idee wirklich umsetzen sollte, schließlich kenne ich ihn erst seit ein paar Stunden und weiß nicht, wie er darauf reagieren würde, aber um meinen Stalker loszuwerden, ist schon allein der Versuch dies allemal wert. Also überwinde ich mich kurz und schmerzlos.
„Okay Manuel, hör zu…“, stöhne ich, ziehe Ian am Arm zu mir rüber, lege meinen Arm um seine Hüften und bete einfach nur, dass er mitspielt. „Das ist mein neuer Freund, und ich möchte einfach nur, dass du mich endlich in Ruhe lässt.“
Bitte, bitte, lieber Fremder, tu jetzt nichts Dummes! Egal wie mega peinlich mir diese Situation gerade ist, ich hoffe einfach nur, dass sie zieht.
Ich merke den verwunderten Blick meines Zeltnachbarn, versuche mir aber rein gar nichts anmerken zu lassen, halte meinen Blick weiter starr auf meinen Ex, welcher Ian jetzt mit großen Augen herabwürdigend anschaut. Komm schon, sag was dazu und lass mich in Ruhe!
„Aha, dein Freund, ja?“, fragt er, woraufhin ich nicke. Oh man, wenn Blicke töten könnten, wäre es soeben um Ian geschehen, irgendwie überkommt mich gerade ein ziemlich schlechtes Gewissen. Doch anstatt sich von mir abzuwenden und mir 'nen Vogel zu zeigen, was ich eigentlich erwartet hätte, legt mein Zeltnachbar seinen Arm um meine Schulter und drückt mich fest an sich.
„Ja, hast du ein Problem damit?“, kontert er dann und sieht zu mir runter, da ich ihm gerade mal bis zu den Schultern reiche. „Schatz, wer ist dieser Typ?“
„Mein Stalker.“, antworte ich und heule fast vor Freude, dass er tatsächlich mitspielt. Das gibt direkt 10 Pluspunkte bei mir, er hat somit mehr als nur einen Gefallen gut!
Manuel fängt an, aufgebracht nach Luft zu schnappen, als ich ihn als Stalker betitele. Aber bitte, was hat er denn erwartet?
„Ich bin kein Stalker!“, regt er sich auf. Kurz befürchte ich, dass er an Schnappatmung leidet, oder gleich in Ohnmacht fällt.
„Nein.“, lache ich sarkastisch. „Natürlich nicht, wie komme ich bloß darauf?“
Deswegen tauchst du auch ganz plötzlich hier auf, obwohl du nicht mal zwei Lieder von Linkin Park, geschweige denn den Ärzten kennst. Allerdings spreche ich das nicht laut aus, ich will keinen Ärger, sondern einfach nur, dass er verschwinden und mich in Ruhe lässt.
„Pass mal auf, mein Lieber.“, fängt Ian an und schiebt mich schützend hinter sich. „Entweder du lässt meine Freundin in Ruhe, oder ich melde dich den Securitys und du fliegst schneller von dieser Veranstaltung, als du gucken kannst, haben wir uns verstanden?“
Mit großen Augen schaue ich meinen soeben von mir ernannten Helden an und kann gar nichts so Recht glauben, dass er mich gerade ernsthaft von meinem Stalker befreien will. Ich kann‘s nur immer und immer wieder wiederholen: Die Leute bei Rock am Ring sind die Besten, ich bin begeistert!
Reumütig hebt mein Ex die Hände, bevor er sich wortlos umdreht und geht. Diese Drohung hat gezogen, ich bin so unendlich dankbar, dass ich kurzerhand meinem Helden um den Hals springe und mich mehrmals bei ihm bedanke, auch wenn ich weiß, dass die Ruhe vor meinem Stalker nur kurzfristig sein wird.


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