3.
Kapitel: Der Anhang & Der Stalker
Endlich
ist unser Werk mit Hilfe der Jungs vollbracht. Stolz betrachten wir
unseren fertig eingerichteten Pussy Party Place, welcher uns wirklich
gut gelungen ist.
Im
Inneren des Pavillons haben wir Campingtisch und Klappstühle
aufgestellt, ein Radio für die Musik und alle Lebensmittel und
Getränke verstaut. Die restlichen Sachen, inklusive Schlafsäcke und
Isomatten, verstauen wir in unserem Zelt. Zum Dank für die Hilfe
umarmen wir die Zwillinge und laden sie auf noch ein Bier und zum
Grillen ein.
„Macht’s
euch schon mal drinnen bequem, wir holen uns eben unsere
Festivalbändchen.“, fordere ich die Zwillinge auf, die ihre
Bändchen bereits haben. Also schnappe ich mir meine Freundin, die
Eintrittskarten, und marschiere mit ihr zum Bändchenzelt, welches am
Anfang unseres Campingplatzes steht. Wir stellen uns an die Schlange,
welche sich vor dem Zelt gebildet hat an und warten, bis wir an der
Reihe sind. Ungeduldig wippe ich mit meinem Fuß auf und ab, kann es
gar nicht abwarten, das Bändchen wie eine Trophäe an meinem Arm zu
tragen. Das ist eins der Dinge, auf die ich mich wie verrückt
gefreut habe.
„Die
Zwillinge sind nett, findest du nicht?“, fragt mich meine Freundin
und wendet ihren Blick von der Schlange auf mich. Ich nicke, denn ich
bin absolut der gleichen Meinung. Wir haben wirklich Glück, so
angenehme Zeltnachbarn zu haben, und nicht gerade das Terrorzelt,
welches die Musik so laut hat, dass man es bis hier hin hören kann.
„Auf
jeden Fall.“, antworte ich. „Bis jetzt sind die Zwei echt klasse.
Wer weiß, vielleicht haben wir jetzt schon Leute gefunden, an die
wir uns dranhängen können.“
Denn
genau das haben Nici und ich geplant. Da wir nur zu zweit gefahren
sind, wollten wir uns Leute suchen, mit denen wir die Festivaltage
harmonisiert verbringen können. Dass es gerade unsere Zeltnachbarn
sind, an die wir und eventuell dranhängen, ist purer, glücklicher
Zufall, denn es ist ganz praktisch, dass man mittags zusammen zum
Festivalgelände hin-, und nachts wieder zurückfahren könnte.
Um
von den Campingplätzen zum Gelände zu kommen, fahren alle paar
Minuten Shuttlebusse von verschiedenen Stellen der Campingplätze
aus. Eine Fahrt kostet 1€ und in wenigen Minuten ist man schon am
Geländeeingang. Ich kann‘s bis morgen gar nicht mehr abwarten.
„Meinst
du? Das wäre echt cool.“, freut sich Nici, woraufhin ich erneut
nicke.
„Joah,
wieso denn auch nicht? Schließlich sind die Jungs auch nur zu zweit
hier und ich denke nicht, dass sie die ganzen Tage auch nur zu zweit
bleiben wollen. Kommt natürlich drauf an, ob sie uns genau so
sympathisch finden, wie wir sie.“ Aber daran zweifele ich bis jetzt
nicht, denn wenn man zusammen lacht, ist die Sympathie meist sofort
da. Die Zwillinge machen in meinen Augen jetzt nicht den Anschein,
dass wir ihnen unsympathisch wären.
Als
wir endlich an der Reihe sind, lösen wir bei einer Frau unsere
Eintrittskarten ein und dürfen schließlich das Zelt betreten, in
dem drei Geräte stehen, die die Bändchen ums Handgelenk schweißen.
Ich stecke meinen linken Arm, an dem auch das Festivalbändchen von
vor zwei Jahren noch dran ist, durch den dafür vorgesehenen Schlitz
des Gerätes und schon betätigt der nette Herr dahinter den
Startknopf. Schnell legt sich das Bändchen um mein Handgelenk und
zieht sich fest, bevor es von dem Gerät zugeschweißt wird. Fertig.
Ich ziehe meine Hand aus dem Schlitz und betrachte gerührt mein
zweites Bändchen, welches sogar schöner ist, als das erste.
Freudestrahlend
verlasse ich das Zelt wieder, kann den Blick gar nicht von meinem Arm
lassen, und warte auf meine Freundin, welche kurz nach mir das Zelt
verlässt und ebenfalls ihr Bändchen betrachtet.
„Fühlt
sich gut an, was?“, frage ich sie und grinse dabei über beide
Ohren. Jetzt sind wir offiziell die Ringrocker von diesem Jahr. Ein
verdammt gutes Gefühl!
„Ja
stimmt, ich hab dir zugegebener Weise nie so wirklich geglaubt, dass
es sich so gut anfühlt, wenn man das Bändchen am Arm hat, aber du
hattest recht, es ist überwältigend!“, schwärmt sie stolz, ohne
dabei den Blick von ihrem Bändchen abzuwenden.
Gut,
wenn sie mir nicht geglaubt hat, konnte ich sie jetzt wenigstens
überzeugen. Vor zwei Jahren schwärmte ich ihr von dem Festival so
die Ohren voll, dass sie sich freiwillig dazu bereit geschlagen hat,
das nächste Mal mit mir hinzufahren. Und nun stehen wir zusammen
hier, auf der absolut besten Rockveranstaltung Deutschlands. Einfach
nur super!
Auf
dem Rückweg zum Zelt kaufen wir uns noch schnell Toiletten- und
Duschtickets für die Sanitäranlagen, 5€ für 10 Toilettengänge
und 7,50€ für drei Mal duschen. Dixiklogänge sind natürlich
umsonst, aber die will ich so gut wie möglich meiden.
Schnell
sind wir von den Sanitäranlagen auch wieder an unserem Platz, wo die
Zwillinge bereits auf unsere Einladung zum Bier und Grillen warten.
„Wir
sind wieder daha!“, rufe ich und hüpfe freudig in unseren
Pavillon, in dem die Jungs sitzen, gefolgt von meiner Freundin. Ohne
zu zögern stürme ich zu unseren Biervorräten, von welchen ich Ian,
Jack und Nici jeweils ein Bier reiche.
„Wurde
auch Zeit, ich verhungere!“, lacht der Hopper und nimmt dankend das
Bier an. Bevor ich mir ein Bier öffne, krame ich zuerst die
Grillsachen heraus und stelle den Grill vor den Pavillon. Wortlos
bringt Nici mir die Kohle nach draußen, welche ich sofort in den
Grill schütte und anzünde. In der Zeit bis die Kohle glüht, setzen
wir uns mit dem Bier den Zwillingen gegenüber an den Tisch.
„Was
hättet ihr denn gleich gerne? Wir haben Nackenstakes, Spare Rips,
Grillfackeln, Hähnchenflügel, Hähnchenfilet…“, zählt Nici den
Zwillingen die Fressvorräte auf.
Beide
entscheiden sich für Spare Rips, gute Wahl, die esse ich ebenfalls
am liebsten. Als Beilage haben wir Kartoffelsalat, Nudelsalat, Gemüse
und Baguettes gekauft. Auf jeden Fall haben wir mehr als Genug, um
nicht zu verhungern. Auf dem Festivalgelände werden wir sowieso
Fastfood von den Fressständen essen, von daher reichen unsere
Lebensmittel vollkommen aus.
„Ach,
verdammt!“, kommt es plötzlich von Nici, die wie von der Tarantel
gestochen aufspringt und aus dem Pavillon stürmt. Verwundert schauen
wir ihr hinterher, ich zucke nur mit den Schultern, als die Blicke
der Jungs schließlich auf mich fallen. Kurz darauf betritt meine
Freundin, mit dem Spielplan der Bands in der Hand, den Pavillon
wieder und hält diesen in die Luft.
„Fast
hätten wir vergessen, den aufzuhängen.“, stöhnt sie erleichtert
und befestigt den Plan mit Klebeband an die Wand. Naja gut, vergessen
hätten wir diesen sicher nicht, spätestens morgen wäre uns
eingefallen, dass wir den Plan brauchen, schließlich müssen wir ja
wissen, wann wir aufs Gelände gehen sollten, um die gewünschten
Bands anzusehen.
„Für
welche Bands seid ihr eigentlich hier?“, will der Blonde wissen,
woraufhin ich abwinke. Ich weiß schon gar nicht mehr alle auswendig,
weil dieses Jahr so viele gute Bands hier sind.
„Ach
Gott, für viele…“, fange ich an und hebe meine Hand, um mit den
Fingern mitzuzählen. „Unter anderem Billy Talent, The Rasmus,
Sevendust, Shinedown, Wolfmother, Korn, Volbeat… Und vor allem für
die Headliner.“
Ich
erkläre kurz: Headliner sind die Bands, die auf der Centerstage,
also der Hauptbühne (es gibt noch zwei andere, einmal die
Alternastage, das ist die zweitgrößte und die Clubstage, die
kleinste Bühne) an den drei Festivaltagen zuletzt spielen. Diese
Bands sind sozusagen die Hauptattraktionen und werden auch zuerst auf
der Rock am Ring Internetseite bekannt gegeben. Das sind dann
wirklich große, sehr erfolgreiche Bands. Dieses Jahr ist wirklich
nur die Creme de la Creme da, die Headliner für Freitag sind Green
Day, für Samstag Linkin Park und für Sonntag Die Ärzte. Einfach
nur me-ga geil.
„Au
ja, die lohnen sich dieses Jahr wirklich.“, nickt Ian. „Allein
schon Linkin Park.“
Zustimmend
nicken wir drei, Linkin Park sind wirklich das Beste von der ganzen
Veranstaltung. Als Linkin Park als Headliner bekanntgegeben wurden,
haben Nici und ich sofort zugeschlagen, ohne auch nur eine Minute zu
zögern. Das lief ungefähr so ab:
Ich:
Eeey Nici, Linkin Park sind Headliner bei Rock am Ring!
Nici:
Okay, bestell die Karten, wir fahren da hin.
Ich:
Okay, ist schon so gut wie erledigt.
Und
schon habe ich die Karten bestellt. Das wollten wir uns auf keinen
Fall entgehen lassen, komme was wolle.
„Also
wenn ihr wollt, können wir uns ja zusammen ein paar Bands
anschauen.“, schlägt Jack vor, womit wir natürlich sofort
einverstanden sind. Auf diese Frage haben wir eigentlich nur
gewartet.
Grinsend
wie ein Honigkuchenpferd luge ich zu Nici rüber, deren Grinsen sich
ebenfalls über ihr ganzes Gesicht zieht. Besser könnten die ersten
Stunden hier gar nicht laufen.
An
Tagen wie diesen
wünscht
man sich Unendlichkeit
An
Tagen wie diesen
haben
wir noch ewig Zeit
Die
Toten Hosen – An Tagen wie diesen
Als
die Kohle endlich glüht, schmeiße ich die gewünschten Spare Rips
auf den Grill, ebenso wie Paprika und Baguettes. Inzwischen habe ich
einen Bärenhunger, mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen,
wenn ich die rohen Spare Rips sehe. Am liebsten würde ich da jetzt
schon reinbeißen. Da sie aber höchstwahrscheinlich roh ungenießbar
sind und ich auch kein animalisches Raubtier bin, muss ich mich wohl
oder übel gedulden, bis sie durch sind.
„Lin,
habe ich dir schon mal gesagt, dass du am Grill verdammt sexy
aussiehst?“, höre ich meine Freundin hinter mir lachen, während
ich das Fleisch mit der Grillzange wende. So ein Schwachsinn, was ist
an Grillen bitteschön sexy? Gut, ich habe mal irgendwo gelesen, dass
Frauen am Grill für Männer besonders attraktiv sein sollen. Aber
ich?!
„Du
hast doch ne Meise.“, lache ich ebenfalls und drehe mich zu ihr um.
„Grillende Frauen sind genau so unattraktiv, wie Männer mit
Brüsten.“ Ich weiß auch nicht, wie ich jetzt auf diesen dämlichen
Vergleich gekommen bin, aber auf die Schnelle fiel mir nichts anderes
ein, obwohl dieser Vergleich gar nicht so unrealistisch ist. Wenn ich
an Männer mit Brüsten denke, schauert's mich. Ein absolutes No-go.
Man sollte auch als Mann auf seine Figur achten!
„Finde
ich nicht!“, mischt sich der Blonde in unser Gespräch ein, welcher
sich mit seinem Bier in der Hand neben Nici gestellt hat, locker mit
der freien Hand in seiner Hosentasche und anfängt, mich von oben bis
unten zu bemustern. „Ich finde, deine Freundin hat Recht.“
„Pff,
ja klar.“ Ich verdrehe die Augen, während ich meine Hand in die
Hüfte stemme und mit der Grillzange abwechselnd auf die zwei
Personen zeige, die anscheinend an Geschmacksverkalkung leiden. „Ihr
habt beide ne Meise, denn, ich wiederhole: Frauen und Grillen geht
gar nicht.“
Kopfschüttelnd
setzt Nici sich wieder in den Pavillon, sie weiß, dass sie mich nur
schwer vom Gegenteil überzeugen kann, deswegen lässt sie mich mit
meiner Meinung einfach hier stehen. Ich bin ein Sturrkopf, schon
immer gewesen, vor allem was Selbstkritik angeht. Wenn ich mit
irgendwas an mir nicht zufrieden bin, dann ist das so, egal wie oft
meine beste Freundin mir sagt, dass es nicht stimmt.
Seufzend
wende ich mich wieder dem Grill zu und bemerke nach ein paar
Sekunden, dass Ian nicht meiner Freundin zurück in den Pavillon
gefolgt ist, sondern sich zu mir gesellt hat.
Grinsend
steht er neben mir und beobachtet mich dabei, wie ich Fleisch, Gemüse
und Baguette wende, als wäre ich ein grillendes Alien. Also entweder
fängt er jetzt mit Smalltalk an, oder ich frage ihn, ob er ein
Passfoto von mir haben will.
„Sieht
gut aus.“, sagt er dann, woraufhin ich erleichtert ausatme, weil
ich ihn nicht wirklich wegen dem Passfoto hätte fragen wollen. Wie
ich mich aber kenne, hätte ich das getan, was wiederum ziemlich
unfreundlich herübergekommen wäre.
„Ich,
oder das Essen?“, frage ich spaßeshalber, da er Nici vorhin mit
ihrer Aussage Recht gegeben hat. Geschmeichelt hat es mich ja schon
irgendwie, auch wenn ich es nie zugeben würde.
„Also
wenn du so fragst, dann beides.“, grinst er schelmisch.
Mit
hochgezogener Augenbraue blinzele ich ihn an, jedoch bleibt mir keine
Zeit zum Kontern, denn plötzlich ruft eine Stimme meine Namen, die
weder zu den Zwillingen, noch zu meiner Freundin gehört, die ich
dennoch glaube, gut zu kennen. Also drehe ich mich um, versuche der
Stimme ein Gesicht zuzuordnen und erstarre vor Schreck, als ich das
passende Gesicht zu dieser Stimme erkenne.
Mein
erster Gedanke: Oh nein. Mein Zweiter: Was macht der denn hier? Und
mein Dritter: Ich muss hier weg! Nur leider kann ich meinen dritten
Gedanken nicht in die Tat umsetzen, denn er hat mich bereits
entdeckt. Mein Ex, oder besser: Mein Stalker.
Vor
fast einem Jahr habe ich mich von ihm getrennt, weil er krankhaft
eifersüchtig war und mich mit meiner Cousine betrogen hat, wodurch
ich endgültig den Schlussstrich gezogen habe.
Nur
irgendwie kapiert er nicht, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben
will, nein, er denkt, ich würde ihn zurück wollen, es nur nicht
zugeben. Deswegen stalkt er mein Facebookprofil, belästigt meine
Freunde, indem er sie über mich ausfragt, taucht ganz plötzlich an
Orten auf, an denen ich rein zufällig auch gerade bin, legt mir
Rosen vor die Haustür und kommt sich extra in meinem Salon die Haare
schneiden. Fehlt nur noch, dass er irgendwann bei mir Zuhause
einbricht und plötzlich in meinem Bett liegt, oder meine getragene
Unterwäsche klaut. Ich kann mir den Mund fusselig reden, ich kann
ihm mit der Polizei drohen, er lässt mich einfach nicht in Ruhe.
Selbst wenn meine Freunde ihm mit Ärger drohen, wenn er mich nicht
in Ruhe lässt, lässt ihn kalt. Langsam macht er mir einfach nur
noch Angst, vor allem, dass er jetzt selbst hier bei Rock am Ring
auftaucht. Er steht doch gar nicht auf Rock, er hört Hardcore und so
ein Zeug, das ist doch krank!
„Scheiße…“,
nuschele ich und suche krampfhaft nach einer Lösung, diesen Psycho
von mir fernzuhalten. Viel Zeit bleibt mir nicht, denn mit schnellen
Schritten kommt er immer näher auf mich zu.
Verzweifelt
werfe ich meinen Blick in den Pavillon zu Nici, die sich gerade
angeregt mit Jack unterhält und meine Panik hier draußen gar nicht
mitbekommt. Dann bleibt mein Blick an Ian haften, der immer noch
neben mir steht und gerade einen Schluck von seinem Bier nimmt. Komm
schon Lindsay, du brauchst eine Idee, und zwar sofort!
„Hey
Lin, was für ein Zufall!“, ertönt die grausame Stimme meines Ex
hinter mir, welche mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt.
Klar, Zufall...
Steif
drehe ich mich zu ihm um und werfe ihm zuallererst einen bösen Blick
zu, welcher ihn allerdings kalt lässt. Seine dunkelblonden Haare
sind zu einer Igelfrisur aufgegelt, sein schwarz-weiß kariertes Hemd
hängt locker über seine zerrissene Jeans, welche seine schlanken,
rasierten Beine zum Vorschein bringt.
Ja,
dieser Kerl rasiert sich seine Beine, ekelhaft, oder?
„Manuel,
was willst du hier?!“, zische ich ungeduldig und warte auf eine
gute, nein, sehr gute Begründung, wieso er mir selbst hier
hinterherstalkt.
Als
er grinst, kommen seine schiefen Schneidezähne zum Vorschein, die
ich anfangs total niedlich fand, heute jedoch einfach nur noch
abstoßend.
„Ich
glaube, ich will hier das Gleiche wie du, mir mit Freunden ein paar
Bands anschauen.“
„Rede
nicht so einen Schwachsinn!“, rege ich mich auf und muss mich
schwer zurückhalten, um ihn nicht an die Kehle zu springen, obwohl
ich das liebend gerne tun würde. Ich fasse es nicht, wie er mir
immer wieder so dreist ins Gesicht lügen kann, ohne dabei rot zu
werden.
„Wieso
Schwachsinn? Aus welchem Grund soll ich denn sonst hier sein?“,
fragt mein Ex ganz scheinheilig, ohne dabei das Grinsen aus dem
Gesicht zu nehmen.
Ich
merke, wie mein Körper vor Wut anfängt zu beben, so, dass ich die
Arme vor meiner Brust verschränken muss, um es mir nicht anmerken zu
lassen.
Ja,
aus welchem Grund soll er sonst hier sein, wie kann ich nach all dem
nur annehmen, dass er wegen mir hier ist? Achtung, Ironie.
„Das
weißt du ganz genau.“, zische ich durch die Zähne und blinzele
ihn wütend an, doch er bleibt wie immer ganz ruhig, lässt dabei
seinen ekeligen Blick lüstern über meinen Körper gleiten. Wenn
ich’s nicht besser wüsste, hat er mich bereits in seinen kranken
Gedanken ausgezogen. Bah, ich glaube, ich kotz gleich!
Aus
dem Augenwinkel heraus sehe ich, dass Ian aufmerksam zu uns rüber
schielt, was mich schlagartig auf eine geniale Idee bringt, welche
mich eventuell von meinem Stalker befreien könnte.
„Nein,
weiß ich nicht.“, lügt er und legt fragend seinen Kopf schief,
hört jetzt auch endlich auf zu grinsen. Ich schaue nochmal zu Ian
und überlege kurz, ob ich meine Idee wirklich umsetzen sollte,
schließlich kenne ich ihn erst seit ein paar Stunden und weiß
nicht, wie er darauf reagieren würde, aber um meinen Stalker
loszuwerden, ist schon allein der Versuch dies allemal wert. Also
überwinde ich mich kurz und schmerzlos.
„Okay
Manuel, hör zu…“, stöhne ich, ziehe Ian am Arm zu mir rüber,
lege meinen Arm um seine Hüften und bete einfach nur, dass er
mitspielt. „Das ist mein neuer Freund, und ich möchte einfach nur,
dass du mich endlich in Ruhe lässt.“
Bitte,
bitte, lieber Fremder, tu jetzt nichts Dummes! Egal wie mega peinlich
mir diese Situation gerade ist, ich hoffe einfach nur, dass sie
zieht.
Ich
merke den verwunderten Blick meines Zeltnachbarn, versuche mir aber
rein gar nichts anmerken zu lassen, halte meinen Blick weiter starr
auf meinen Ex, welcher Ian jetzt mit großen Augen herabwürdigend
anschaut. Komm schon, sag was dazu und lass mich in Ruhe!
„Aha,
dein Freund, ja?“, fragt er, woraufhin ich nicke. Oh man, wenn
Blicke töten könnten, wäre es soeben um Ian geschehen, irgendwie
überkommt mich gerade ein ziemlich schlechtes Gewissen. Doch anstatt
sich von mir abzuwenden und mir 'nen Vogel zu zeigen, was ich
eigentlich erwartet hätte, legt mein Zeltnachbar seinen Arm um meine
Schulter und drückt mich fest an sich.
„Ja,
hast du ein Problem damit?“, kontert er dann und sieht zu mir
runter, da ich ihm gerade mal bis zu den Schultern reiche. „Schatz,
wer ist dieser Typ?“
„Mein
Stalker.“, antworte ich und heule fast vor Freude, dass er
tatsächlich mitspielt. Das gibt direkt 10 Pluspunkte bei mir, er hat
somit mehr als nur einen Gefallen gut!
Manuel
fängt an, aufgebracht nach Luft zu schnappen, als ich ihn als
Stalker betitele. Aber bitte, was hat er denn erwartet?
„Ich
bin kein Stalker!“, regt er sich auf. Kurz befürchte ich, dass er
an Schnappatmung leidet, oder gleich in Ohnmacht fällt.
„Nein.“,
lache ich sarkastisch. „Natürlich nicht, wie komme ich bloß
darauf?“
Deswegen
tauchst du auch ganz plötzlich hier auf, obwohl du nicht mal zwei
Lieder von Linkin Park, geschweige denn den Ärzten kennst.
Allerdings spreche ich das nicht laut aus, ich will keinen Ärger,
sondern einfach nur, dass er verschwinden und mich in Ruhe lässt.
„Pass
mal auf, mein Lieber.“, fängt Ian an und schiebt mich schützend
hinter sich. „Entweder du lässt meine Freundin in Ruhe, oder ich
melde dich den Securitys und du fliegst schneller von dieser
Veranstaltung, als du gucken kannst, haben wir uns verstanden?“
Mit
großen Augen schaue ich meinen soeben von mir ernannten Helden an
und kann gar nichts so Recht glauben, dass er mich gerade ernsthaft
von meinem Stalker befreien will. Ich kann‘s nur immer und immer
wieder wiederholen: Die Leute bei Rock am Ring sind die Besten, ich
bin begeistert!
Reumütig
hebt mein Ex die Hände, bevor er sich wortlos umdreht und geht.
Diese Drohung hat gezogen, ich bin so unendlich dankbar, dass ich
kurzerhand meinem Helden um den Hals springe und mich mehrmals bei
ihm bedanke, auch wenn ich weiß, dass die Ruhe vor meinem Stalker
nur kurzfristig sein wird.