2.
Kapitel: PPP - Pussy Party Place
Mit
Sack und Pack marschieren wir über den Campingplatz und suchen uns
eine passende Stelle, welche gar nicht so leicht zu finden ist. Wir
haben noch nicht alle Sachen dabei, gleich müssen wir noch mal zum
Auto zurück. Das ganze Zeug können wir gar nicht mit einem Mal
tragen.
„Da!“,
ruft Nici plötzlich und zeigt auf eine Stelle, ganz in der Nähe von
den Sanitäranlagen. „Da müssten wir hinpassen, schnell!“
Wir
laufen schneller, damit unser entdeckter Platz auch unserer bleibt.
Im Slalom flitzen wir um ein paar Zelte herum und erreichen
schließlich den anvisierten Platz. Ein kurzer Check der Größe, und
schon lassen wir unsere Sachen auf den Boden plumpsen.
Diese
Stelle scheint perfekt, zwar sind wir von anderen Zelten umringt,
aber das bleibt hier nirgends aus, es sei denn, man zeltet am
Wegrand. Und das Beste an diesem Platz ist, dass die Sanitäranlagen
ganz in der Nähe sind.
Ich
weiß nicht wie viele es davon auf den ganzen Campingplätzen gibt,
ich glaube, nur eine pro Platz. Und da die Plätze riesig sind, gibt
es an den anderen Stellen Dixi Klos, auf die ich allerdings nur total
ungern gehe. Verständlich. Zwar kostet ein Toilettengang in den
Sanitäranlagen 50 Cent, aber die sind es definitiv Wert. Außerdem
kann man sich dort auch waschen, Wasser holen und für 2,50€
duschen.
Wenn
man duschen will, sollte man das so früh am Morgen wie möglich tun,
denn wenn man zu spät kommt könnte es passieren, dass das ganze
warme Wasser verbraucht ist. Diese Erfahrung musste ich leider vor
zwei Jahren schon machen.
„So,
und jetzt? Ich glaube, du musst hier bei den Sachen bleiben, während
ich die anderen Sachen aus dem Auto hole.“, jammert Nici und
verzieht die Schnute, weil wir noch jede Menge Sachen im Auto haben,
und sie diese bestimmt nicht ganz allein tragen kann. Grübelnd lege
ich die Stirn in Falten und überlege, wie wir dieses Problem lösen
können, bis mein Blick auf unsere Zeltnachbarn fällt und mir eine
Idee kommt.
„Oder
wir fragen die Jungs da, ob sie kurz ein Blick auf unsere Sachen
werfen könnten.“, schlage ich vor und stapfe schon zu ihnen rüber,
um sie anzusprechen.
Zwei
Jungs, der eine Blond, tätowiert, im Muskelshirt und Jeans, drei
Tage Bart, großer Sonnenbrille, und mehreren Piercings im Gesicht.
Snakebites und Septum, soweit ich erkennen kann. Der andere in Hip
Hop Klamotten, kurzen braunen Haaren und ebenfalls mit Sonnenbrille.
Nett sehen sie jedenfalls aus, also setzte ich meine Idee in die Tat
um.
„Hey.“,
begrüße ich sie ohne Scheu, und schon habe ich ihre Aufmerksamkeit
auf mich gezogen. Sie sitzen auf Campingstühlen vor ihren Zelten,
mit einem Radio vor ihnen, welches ein Lied von System Of A Down
dudelt. Als sie mich ebenfalls begrüßen, spreche ich weiter:
„Könntet ihr vielleicht kurz einen Blick auf unsere Sachen werfen?
Wir müssen nur nochmal schnell zum Auto.“
„Klar,
kein Problem.“, antwortet mir der Blonde, dem ich ein dankendes
Lächeln zuwerfe. Geht doch, die Leute hier sind einfach super!
Zufrieden
drehe ich mich zu Nici um und fordere sie auf, mit mir die restlichen
Sachen zu holen.
„Boah,
ist das voll hier.“, stöhnt meine Freundin, als wir die zweite
Ladung zu unserem Zeltplatz schleppen.
„Klar,
was hast du denn erwartet?“, lache ich, schließlich ist diese
Veranstaltung riesig und erwartet bis zu 85.000 Besucher. Schon
jetzt, obwohl es gerade mal 11 Uhr ist, herrscht hier Partystimmung
pur. Von allen möglichen Campern dröhnt laute Musik aus Radios,
mitgebrachten Anlagen und sonstigen Geräten. Einigen Leuten sieht
man an, dass sie jetzt schon ordentlich einen im Tee haben. Kein
Wunder, Alkohol fließt hier zu genüge, eigentlich ist ein
Musikfestival nicht mehr, als eine riesengroße Party. Aber gerade
das
gefällt mir so daran. Hier kann man die Sau rauslassen, ohne
hinterher die Peinlichkeit erklären zu müssen und ohne ein
schlechtes Gewissen zu haben. Was bei Rock am Ring passiert, bleibt
auch bei Rock am Ring.
Das
beste Beispiel läuft uns gerade über den Weg: Ein Mann im Tutu.
Verdutzt schaut Nici dem Typen hinterher, bevor sie mich mit einem
breiten Grinsen anschaut.
„Keine
Sorge, du wirst hier noch einige komische Gestalten sehen und kennen
lernen, versprochen.“, erkläre ich ihr, da bin ich mir sicher,
denn Hemmungen gibt es hier nur wenig.
Ein
paar Meter weiter sitzen ein paar Jungs und Mädels mit ihren
Campingstühlen am Wegrand und bewerten die vorbeigehenden Leute,
indem sie Schilder mit Zahlen in die Luft halten. Als Nici und ich an
ihnen vorbei gehen, bekommen wir eine glatte 10, für die wir uns
lachend bedanken. Außerdem kommen wir an ein riesiges, grünes Zelt
vorbei, auf dessen Spitze ein rotes Alarmlicht leuchtet und laut
Heavy Metal aus dem inneren dröhnt. An der Frontseite des Zeltes
hängt ein großes Schild, mit der Aufschrift „Terrorcamper“, was
mich auf eine Idee bringt. Unser Zeltpavillon braucht auch einen
Namen, und ich habe soeben den perfekten gefunden.
„Eeey
Nici, du hast doch verschiedenfarbige Eddings dabei, oder?“
Erwartungsvoll
wende ich den Blick zu meiner Freundin, welche mich mit hochgezogenen
Augenbrauen irritiert anschaut. Sie weiß noch nicht so ganz, was ich
von ihr will.
„Äh…
Ja, müsste ich dabei haben, wieso fragst du?“
Das
„du“ zieht sie bei ihrer Frage in die Höhe, was mich schmunzeln
lässt. Mit ihrer hellen Stimme hört sich das total süß an.
Ich
erkläre ihr meine Idee, dass wir auf drei Außenwände unseres
Pavillons jeweils ein P und auf der vierten Wand „Pussy Party
Place“ schreiben, von welcher sie total begeistert ist.
Endlich
wieder an unserem Zeltplatz angekommen, lassen wir auch unsere
restlichen Sachen zu Boden fallen und bedankten uns herzlich bei den
Jungs, die tatsächlich alles für uns freigehalten haben. Als
kleines Dankeschön drücke ich beiden ein Bier in die Hand, und
öffne auch für Nici uns mich eins.
„Ich
bin übrigens Lindsay und das ist meine beste Freundin Nicole. Oder
Lin und Nici, hört sich schöner an.“, stelle ich uns den Jungs
vor, nachdem wir mit ihnen angestoßen, und uns vor ihnen auf zwei
unserer Klappstühle gesetzt haben. Man soll sich ja mit seinen
Zeltnachbarn gut heißen, also kann man sich ja kennen lernen.
„Ich
bin Jack und das…“, stellt der Hopper sich vor und nickt
daraufhin zu seiner Begleitung rüber. „…ist mein Bruder Ian.“
Der
Blonde grinst, irgendwie erinnert er mich an… Ach, wie heißt der
noch gleich… Jared Leto?
„Und
wer ist der ältere?“, erkundigt Nici sich und nimmt einen Schluck
von ihrem Bier. Das interessiert mich allerdings auch, deswegen
schaue ich die Brüder erwartungsvoll an. Ich glaube, der Hopper ist
der ältere, zumindest sieht er maskuliner aus. Obwohl, ich weiß
nicht, manchmal trügt der Schein.
„Jack
ist zwölf Minuten älter als ich. Wir sind eineiige Zwillinge.“,
antwortet der Blonde grinsend, woraufhin meine Freundin sich an ihrem
Bier verschluckt. Hastig klopfe ich ihr auf den Rücken, obwohl ich
mindestens genauso entsetzt bin, wie sie. Dass die zwei eineiige
Zwillinge sind, hätte ich nie im Leben vermutet, sie sehen sich zwar
ähnlich, dass man auf Brüder schließen kann, aber Zwillinge?!
Holla die Waldfee, jetzt bin ich echt baff.
„Jetzt
ohne Scheiß?“, schluckst meine Freundin, als sie sich von ihrem
Hustanfall beruhigt hat. Krampfhaft versuche ich, die beiden
miteinander zu vergleichen, doch als sie anfangen zu lachen (und weil
sie uns drauf aufmerksam gemacht haben), erkenne ich die Ähnlichkeit
der beiden. Exakt die gleichen Gesichtszüge, trotz Sonnenbrille.
Unglaublich…
„Ich
weiß, sieht man uns nicht auf den ersten Blick an.“, erklärt
Jack, immer noch lachend. „Aber würde man uns die Haare abrasieren
und uns nackt nebeneinander stellen, wären wir identisch.“
„Zeigen,
bitte!“, scherze ich und zwinkere, was die beiden gleich erneut zum
Lachen bringt, Nici inklusive.
„Ja
komm, wir gehen ins Zelt.“, zwinkert der Hopper zurück und erhebt
sich spaßeshalber aus seinem Campingstuhl. Die Zwei sind mir vom
ersten Eindruck her echt sympathisch.
„Nee,
wenn dann beide, sonst kann ich ja keinen Vergleich stellen.“,
grinse ich schelmisch.
Nachdem
wir uns ein paar weitere Minuten mit den Jungs unterhalten haben,
erfahren wir, dass sie alleine hier sind, ebenfalls vierundzwanzig,
aus Hamburg kommen, hobbymäßig in einer Band spielen und Single
sind. Außerdem studiert Ian irgendwas mit Mode und Jack irgendwas
mit Musik. Wir verraten ihnen im Gegenzug dieselben Informationen
über uns, dass wir beide Friseurinnen sind und bald die
Meisterschule besuchen werden. Ja, das hatten wir wirklich vor, es
fehlt nicht mehr viel Geld dazu. Wäre es nicht so teuer, hätten wir
schon längst unseren Meistertitel, aber 10.000€ sind nun mal für
unsere Verhältnisse eine ganze Menge. Unser größter Wunsch ist es,
in naher Zukunft, zusammen einen Salon zu eröffnen, das haben wir
uns fest vorgenommen. Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen.
Die
Zwillinge schlagen sich freiwillig dazu bereit, uns beim Zeltaufbau
zu helfen. Während die Zwei sich um unser Zelt kümmern, versuchen
Nici und ich uns an den Aufbau unseres Pavillons. Bevor wir anfangen,
setzen wir meine Idee von vorhin in die Tat um, und malen
künstlerisch mit verschiedenen Farben die drei P und „Pussy Party
Place“ auf die Außenwände. Stolz betrachten wir unser gelungenes
Werk, bevor wir schließlich versuchen, nach beigelegter Anleitung,
das Ding zusammenzubauen, was sich gar nicht als so einfach
herausstellt.
Verzweifelt
kniet Nici auf dem Boden vor der Anleitung und begutachtet diese, als
wäre sie in einer anderen Sprache geschrieben, die sie erst einmal
übersetzen müsse. Ein Blick zu den Zwillingen verrät mir, dass sie
mit unserem Zelt schon so gut wie fertig sind, bevor wir überhaupt
richtig angefangen haben.
„Stecken
Sie Teil A auf Teil B, befestigen Sie dieses mit Teil C und ziehen
Sie anschließend Teil D darüber…“, nuschelt meine Freundin vor
sich hin und stößt anschließend ein verzweifeltes „Häää?“
aus. Sie hält zwei Stäbe in ihren Händen, welche sie abwechselnd
fragend anschaut.
„Das
kann doch nicht sein, welches ist denn jetzt Teil A? Die sehen beide
gleich aus!“
„Soll
ich mal gucken? Vielleicht werde ich aus der Anleitung ein bisschen
schlauer.“, schlage ich ihr vor, woraufhin sie mir sofort die Stäbe
entgegenstreckt.
Gut,
mit den Stäben allein kann ich nicht viel anfangen, also knie ich
mich neben sie und schaue mir die Anleitung an. Sofort bilden sich
drei riesige Fragezeichen über meinem Kopf. Vielleicht hätten die
Macher mal eine Anleitung für Dummies dazulegen sollen.
Der
jüngere Zwilling muss unsere Verzweiflung bemerkt, oder die drei
Fragezeichen über meinem Kopf gesehen haben, denn obwohl unser Zelt
noch nicht ganz aufgebaut ist, lässt er seinen Bruder damit alleine
und kommt zu uns rüber um uns zu fragen, ob wir Hilfe benötigen.
Ja, natürlich brauchen wir die, will das aber nicht so direkt sagen.
„Aber
nur, wenn es dir keine Umstände macht, schließlich helft ihr uns
schon genug mit dem Zelt.“
„Ach
quatsch, zeigt mal her.“, lächelt er und streckt die Hand nach der
Anleitung aus, welche Nici ihm sofort überreicht. Es dauert nur ein
paar Sekunden, in dem er seine Augen über das Papier gleiten lässt,
bis er nach den Stäben greift und sie richtig zusammensetzt. Wow,
ich bin beeindruckt.
„Lin,
hast du das gesehen? Er spricht Anleitung!“, staunt meine Freundin
und beobachtet Ian dabei, wie er gekonnt ein Teil auf das andere
Steckt. Er muss nicht einmal mehr einen Blick auf die Anleitung
werfen, weswegen ich mich kurz frage, ob er vielleicht ein
photographisches Gedächtnis hat.
„Ja,
eine Sprache, die wir nicht beherrschen.“, lache ich und fange an,
das Papier von den Verpackungen in den Müllsack zu stopfen, welchen
wir beim Betreten des Campingplatzes bekommen haben. Wenn wir den
Sack am Ende des Festivals voll zurückgeben, bekommen wir dafür 5€
vom Ticketpreis zurück. Pro Person gibt es einen Müllsack.
„Das
ist gar nicht so schwer wie es aussieht, man muss nur wissen wie‘s
hinterher aussehen soll, der Rest geht praktisch von allein.“,
erklärt der Blonde, worüber ich innerlich grinsen muss. Wenn es so
einfach wäre, hätten Nici und ich das auch selbst hinbekommen.
Egal, immerhin ist das Teil so gleich aufgebaut.
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